Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Seit einiger Zeit, liebe Väter, Brüder und Schwestern in Christus, ist in unserer Kirche das Gedächtnis der Synaxis aller Heiligen der deutschen Lande eingeführt worden. Wir, orthodoxe Christen, die wir im geistlichen Erbe des Ostens erzogen wurden, verneigen uns heute vor den Glaubenstaten der frühen Christen des Westens, die hier, im deutschen Lande, mit der Predigt des heilbringenden Evangeliums Christi ein festes Fundament gelegt haben. Sie haben hier die Kirche aufgebaut und um Christi und des Evangeliums willen all ihre Kräfte, bisweilen auch ihr Leben hingegeben. Bis zum heutigen Tag sind in die Synaxis der deutschen Heiligen die Namen von 12 Heiligen des ersten Jahrtausends nach Christi Geburt aufgenommen worden.
Unter ihnen sind heilige Bischöfe, Hochwürdige, Märtyrer und Bekenner. Es sind Menschen verschiedener Epochen, verschiedener Herkunft und Schicksale: Die einen brachten das Licht des Evangeliums in die deutschen Lande und errichteten Klöster, wie die heilige Walburga; die anderen vergossen ihr Blut für Christus in den ersten Jahrhunderten, wie die heilige Märtyrerin Afra von Augsburg zusammen mit ihrer Mutter und ihren Gefährtinnen; wieder andere festigten die Kirche an ihren nördlichen Grenzen, wie der heilige Bischof Ansgar, der erste Erzbischof von Hamburg und Bremen. Sie alle zeigen uns das lebendige Zeugnis, dass der christliche Glaube auch im deutschen Lande Wurzeln geschlagen hat -- durch ihre Predigt, ihre Tugendtaten und ihre Mühen.
Das ist für uns eine wichtige Erinnerung: Als orthodoxe Christen sind wir nicht „auf einen leeren Platz" hierher gekommen. Im deutschen Lande gibt es eigene, altehrwürdige und wahrhaftige Gottgefällige, die nun vor dem Thron des Allerhöchsten stehen. Jeder von uns hat seine eigenen Gründe, warum er hier ist -- wir, orthodoxe Christen in einer, wie es scheinen mag, unorthodoxen Umgebung. Aber in der Tiefe der Jahrhunderte haben sich in diesem von Gott gesegneten Lande Gottgefällige gemüht, deren geistliche Sprache uns vertraut ist, die wir ohne Dolmetscher verstehen, weil sie auf demselben Fundament bauen, welches Christus ist (vgl. 1 Kor 3,11), weil sie im selben Geist gelebt und gewirkt haben wie die Heiligen der Ostkirche.
Dabei sollten wir nicht vergessen, dass die Heiligen Menschen sind, von denen Gott durch den Propheten Jesaja sagt: „Ihr seid meine Zeugen ... damit ihr erkennt und mir glaubt und einseht, dass ich es bin ... Ich, der HERR, und außer mir gibt es keinen Retter" (Jes 43,10--11). Und der Apostel Paulus spricht von den Heiligen als denen, die „durch Glauben Königreiche bezwangen, Gerechtigkeit wirkten, Verheißungen erlangten..." (Hebr 11,33). Zweifelsohne sind auch die deutschen Heiligen Zeugen desselben Einen Herrn, der „gestern und heute derselbe ist und in Ewigkeit" (Hebr 13,8). Durch ihr Leben und ihre Aufopferung bezeugen sie, dass Gott lebt, dass Christus auferstanden ist, dass der Geist wirkt und dass das Heil überall möglich ist, wo die frohe Botschaft von Christus, unserem Herrn, erklingt.
Heiligkeit ist weder durch eine Volkszugehörigkeit noch durch eine Sprache beschränkt. Sie verbindet Ost und West, Nord und Süd, denn es ist „ein Herr, ein Glaube, eine Taufe" (Eph 4,5). Durch die deutschen Heiligen spüren wir greifbar diese Einheit der Kirche Christi, die allumfassend und unteilbar ist. Sie erinnern uns daran, dass das Heilige nicht Eigentum eines Volkes oder einer Kultur ist, sondern die Wirkung des Heiligen Geistes, der „weht, wo er will" (Joh 3,8).
Daher ist es unsere Aufgabe, auf die Stimme der Heiligen zu hören, für das deutsche Land zu beten und die Fürsprache seiner Heiligen anzurufen. Und in unseren unruhigen Zeiten ist es besonders wichtig, dessen eingedenk zu bleiben, dass wir eine Schar heiliger Zeugen Gottes bei uns haben, deren Gebete stärken und schützen.
Alle Heiligen, die im deutschen Lande geleuchtet haben, bittet Gott für uns! Amen.
Diese Predigt wurde gehalten am 03.10.2025 in der russisch-orthodoxen St.-Barbara-Kirche in Krefeld.