Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn, im heutigen Evangelium hören wir, wie unser Herr Jesus Christus am See Genezareth stand und zum Volk predigte. Als die Menge Ihn bedrängte, stieg Er in das Boot des Simon, fuhr ein wenig vom Ufer weg und lehrte die Menschen von dort aus.
Dann befiehlt Christus dem Simon, die Netze auszuwerfen. Und dieser antwortet trotz seiner aktuellen Erfahrung: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.“ So beginnt der Glaube – nicht aus Gefühlen oder aus Berechnung, sondern aus Vertrauen auf Gottes Wort. Und als die Netze sich füllen, fällt Simon Petrus Jesus zu Füßen und sagt: „Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder.“
Hier geht es nicht einfach nur darum, dass Petrus so erstaunt über das Wunder war; es geht um das Erleben einer Begegnung mit der Heiligkeit. Wie der Prophet Jesaja, der den Herrn auf dem Thron sah, ausrief: „Weh mir, denn ich bin verloren. Denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen“ (Jes 6,5) – und Reinigung empfing, so weicht auch bei Petrus die Furcht dem Gehorsam: „Fürchte dich nicht“, spricht der Herr zu ihm, „von jetzt an wirst du Menschen fangen.“
Christus sagt zu den Jüngern des Öfteren: „Fürchtet euch nicht.“ Aber wovor sollten sie sich fürchten? Die Jünger hatten einen Beruf – das Fischen. Jesus aber ruft sie nun dazu, „Menschen zu fangen“. Der Ruf, Christus nachzufolgen, bedeutet oft: Das zu tun, was wir nicht gewohnt sind, die Grenzen des uns Gewohnten und Sicheren zu verlassen. In dieser Stelle aus dem Lukasevangelium ruft der Herr sie, ihren Beruf als Fischer zurückzulassen, nicht weil schwere Zeiten angebrochen wären oder das „Geschäft“ schlecht laufen würde. Zwar hatten die Jünger gerade die ganze Nacht erfolglos gearbeitet; und sie erhielten ja nur dann ihren Lohn, wenn sie Fisch fangen und verkaufen konnten. Doch indessen führt der Herr sie selbst zu einem enormen Fang. Und jetzt ruft Er sie, ihr Geschäft gerade in diesem Augenblick des Erfolgs zu verlassen.
Zweifellos wussten die Jünger, wie man fischt. Doch nun werden sie gerufen, ihre Fähigkeiten in einem neuen, völlig unerwarteten Werk einzusetzen. Darum fürchteten sie sich auch: Sie verließen ihr vertrautes Leben für einen Weg, in dem alles nur auf dem Vertrauen zu Christus gründet.
Zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern haben Menschen auf den Ruf Gottes geantwortet – und genau so sind alle Heiligen entstanden. Wir als orthodoxe Christen sind es gewohnt, der Heiligen des alten Palästina, Griechenlands und der Rus zu gedenken. Aber auch hier, im deutschen Land, gab es jene, die den Ruf Gottes hörten und ihm folgten.
Der heilige Apostel Matthias, dessen Gebeine im deutschen Land ruhen. Die heilige Märtyrerin Afra von Augsburg, die zusammen mit ihrer Mutter und Gefährtinnen hier ihr Blut für Christus vergoss; der heilige Märtyrer Bonifatius, der Apostel der Deutschen, die heilige Walburga, der heilige Bischof Ansgar, der heilige Bischof Korbinian und viele andere – jeder antwortete auf seine Weise auf denselben Ruf, wie ihn auch der Apostel Petrus vernommen hatte.
Diese Heiligen, die hier in diesem Land aufgestrahlt sind, haben vielleicht für unser Gehör ungewohnt oder gar fremd klingende Namen; doch für Gott waren sie nicht fremd, und deswegen können sie auch uns nicht fremd sein. Ihr Leben und ihr Kampf zeigen, dass Heiligkeit nicht einem bestimmten Land oder Volk zugerechnet werden kann, sondern dort entsteht, wo der Mensch Gott antwortet: „Hier bin ich, sende mich!“ (Jes 6,8) – wie der Prophet Jesaja. Und darum, wenn wir in diesem Land leben und beten, befinden wir nicht in einem geistlichen Brachland. Hier gibt es Heilige, hier erklang ihr Gebet, hier wurde das Blut der Märtyrer vergossen.
Für uns, die wir unter Völkern leben, wo der Glaube weitgehend vergessen ist, ist es besonders wichtig, dass wir dessen eingedenk bleiben: Diese Heiligen sind nicht einfach nur Teil der Vergangenheit, sondern sie sind die Schutzpatrone des deutschen Landes, seine himmlischen Fürsprecher, und für uns sind auch sie Zeugen dafür, dass Gott lebt, dass Christus auferstanden ist, dass der Geist wirkt und dass das Heil überall möglich ist, wo die frohe Botschaft von Christus, unserem Herrn, erklingt.
Und darum müssen wir auch für dieses Land und seine Menschen beten – dass Christus wieder in sein „Boot“ steige, dass Sein Wort wieder in den Herzen erklinge, dass die Gnade Gottes die leeren Netze der Menschenleben fülle. Und wenn der Herr uns ruft, möge Er in uns dieselbe Bereitschaft finden, wie beim Propheten Jesaja, beim Apostel Petrus und den deutschen Heiligen: „Hier bin ich, Herr. Auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.“ Amen.