predigt

Predigt zum 16. Sonntag nach Pfingsten (2025)

Mt 25, 14-30

Roman Bannack, Priester | Zugriffe: 108

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Liebe Brüder und Schwestern! Das heutige Gleichnis von den Talenten eröffnet uns die Wahrheit darüber, wie der Herr einem jeden von uns vertraut. Ein Hausherr, der auf Reisen geht, verteilt seinen Dienern sein Vermögen: dem einen fünf Talente, einem anderen zwei, einem dritten eines – „einem jeden nach seiner eigenen Fähigkeit“ (Mt 25,15). Hier gibt es keine Gleichheit im Sinne gleicher Anteile. Der Herr gibt einem jeden das, was seinen Kräften entspricht, damit die Gabe nicht zur schweren Last wird, sondern zum Nutzen und zum Heil dient.

Ebenso sagt der Apostel Paulus: „Jedem von uns aber ist die Gnade gegeben nach dem Maß der Gabe Christi“ (Eph 4,7). Gott berücksichtigt unsere Stärken und Schwächen, Er kennt unsere Möglichkeiten und Grenzen. Er überlastet uns nicht, sondern gibt genau das, womit der Mensch zurechtkommen kann.

Und der heilige Johannes Chrysostomus bemerkt1: Der Herr offenbart Sich nicht auf gleiche Weise, sondern so, wie der Mensch es aufzunehmen vermag. Manchmal im Feuer, manchmal im leisen Säuseln des Windes (vgl. Ex 3,6; 1 Kön 19,12). Gott gibt einem jeden genau das, was ihn zum Heil führen kann. Dies ist ein Ausdruck Seiner Liebe, die unsere Besonderheiten und unsere Freiheit respektiert.

Im Gleichnis ließen zwei der Knechte das Erhaltene arbeiten und verdoppelten die Gaben. Ihr Herr lobt sie: „Recht so, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen“ (Mt 25,21). Der dritte aber hatte aus Angst sein Talent vergraben und gab es ohne Gewinn zurück. Verurteilt wird er nicht dafür, dass er wenig erhielt und zurückgab, sondern dafür, dass er nichts getan hat.

Das Gericht Gottes ist eine persönliche Begegnung: einem jeden wird zugerechnet werden, wie er mit dem Anvertrauten umgegangen ist. Und deshalb hilft beim Gericht der Vergleich mit anderen nicht. „Ich bin nicht schlechter als die anderen“ oder „ich sündige wie alle“ ist keine Rechtfertigung. Der Herr wird fragen: Was hast du mit dem getan, was gerade dir anvertraut wurde?

Wir alle haben Talente erhalten: Leben, Zeit, Fähigkeiten, materielle Güter, den Glauben. Die Anzahl der Talente ist kein Grund für Neid oder Stolz. Wir sind verschieden – und Gott sei Dank, dass wir verschieden sind. Wie der Psalmist sagt: „Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast“ (Ps 139,14). Gott Selbst hat uns verschieden erschaffen und respektiert diese Verschiedenheit, indem Er einem jeden genau das schenkt, was zu seinem Heil nötig ist. Aber Er erwartet nicht, dass die Talente im Keller verborgen werden, sondern deren tätige Vermehrung – in der Liebe, im Dienst am Nächsten und in der Erkenntnis der Wahrheit. Das Talent ist nicht nur Besitz, es ist jede Gabe von Gott. Wenn wir sie zum Guten einsetzen, wird sie wachsen; wenn wir sie aus Angst oder Trägheit in der Erde vergraben, werden wir selbst das Geringe verlieren.

Der Apostel Paulus nennt uns in der heutigen Lesung „Mitarbeiter Gottes“ (2 Kor 6,1) und erinnert uns: „Siehe, jetzt ist die angenehme Zeit; siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“ (2 Kor 6,2). Gott wirkt jetzt in uns, deshalb darf man nichts aufschieben. Wir müssen mit dem arbeiten, was uns anvertraut ist, und unter den Umständen, in denen wir uns heute befinden. Es wäre falsch, erst auf eine günstigere Zeit oder Besserung der Umstände zu warten.

Liebe Brüder und Schwestern, das Gleichnis von den Talenten ist ein Aufruf zur persönlichen Verantwortung vor Gott an uns. Nicht auf die Gaben anderer zu schauen, nicht uns mit anderen zu vergleichen, sondern an dem zu arbeiten, was uns gegeben ist. Der Herr kennt unsere Kräfte und hilft uns, wenn wir Ihm vertrauen. Er möge uns alle würdig machen zu hören: „Geh ein in die Freude deines Herrn!“ (Mt 25,23). Amen.


  1. Johannes Chrysostomus, Erzbischof von Konstantinopel, Gegen die Anhomöer, Dritte Homilie. 

Geschrieben von Roman Bannack, Priester