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Predigt zum 18. Sonntag nach Pfingsten (2025)

Lk 6:31-36

Roman Bannack, Priester | Zugriffe: 24

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Liebe Brüder und Schwestern in dem Herrn!

Heute haben wir die Worte des Herrn gehört, die keiner besonderen Erklärungen zu bedürfen scheinen: „Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun, so tut auch ihr ihnen!“ (Lk 6,31). Diese Zeilen aus dem Lukasevangelium sind ein Widerhall jener berühmten Bergpredigt, die uns aus dem Matthäusevangelium bekannt ist, wo Christus diese Regel als die Summe des Gesetzes und der Propheten bezeichnet. Es ist die jedem bekannte „goldene Regel“, alt wie die Welt selbst. Aber der Herr Jesus Christus legt in sie etwas viel Größeres hinein als bloße menschliche Gegenseitigkeit.

In vielen Kulturen gab und gibt es ja eine ähnliche Handelsmaxime: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Das lehrte ja auch bereits der gerechte Tobit seinen Sohn zu Zeiten des Alten Bundes: „Was dir selbst verhasst ist, das mute auch einem anderen nicht zu!“ (Tob 4,15). Deshalb tun auch die Ungläubigen und Sünder, wie der Evangelist bemerkt, denen Gutes, die ihnen Gutes tun, und leihen denen, von denen sie Rückzahlung erwarten.

Doch Christus ruft zu mehr auf: die zu lieben, die uns hassen, ohne Dank zu erwarten Gutes zu tun, zu geben, ohne etwas zurückzuerwarten. Gott sendet seinen Regen über Gerechte und Ungerechte, und er lässt seine Sonne aufgehen über Guten und Bösen. Das ist das Maß unseres Erbarmens: Nicht Kalkül und nicht Tausch, sondern Nachahmung Gottes. Und weiter offenbart der Herr dies: Liebt eure Feinde, tut Gutes, leiht, ohne etwas zurückzuerhoffen.

Das heißt, im Munde des Herrn wird die bekannte „goldene Regel der Moral“ zu einem Aufruf, Gott nachzuahmen. Denn Er ist es ja, wie Christus Selbst sagt, der „gütig ist gegen die Undankbaren und Bösen“ (Lk 6,35). Darin unterscheidet sich die göttliche Liebe, zu der wir berufen sind, von der natürlichen menschlichen Wohlgesinntheit. Die Liebe hängt nicht vom Verhalten anderer ab, sie ist keine Reaktion, sondern eine Entscheidung. Keine Emotion, sondern ein Willensakt.

Während es in der Welt üblich ist, Gutes mit Gutem und Böses mit Bösem zu vergelten, so dürfen wir es nicht zulassen, dass die Taten anderer unser Herz bestimmen; sondern wir sollen nicht als Antwort auf etwas, sondern aus Liebe handeln. Deshalb sind die Worte des Herrn keine „goldene Regel der Gegenseitigkeit“, sondern das evangelische Gesetz der Barmherzigkeit, das den Weg zur Nachahmung Gottes Selbst eröffnet: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lk 6,36).

Der Herr verlangt von uns dabei nicht so sehr äußere Werke, sondern vielmehr innere Wandlung. Christus stellt keine Regeln auf, durch die man mit Belohnung zu rechnen hätte, wie die Pharisäer, die zwischen Reinen und Unreinen trennten und damit Mauern zwischen den Menschen errichteten. Er ruft in eine andere Gemeinschaft – in das Reich, in dem die Barmherzigkeit diese Mauern niederreißt und die Verstoßenen, die Armen, die Fremden einschließt. Wie ein zeitgenössischer Theologe sagte: Christus weigerte sich, das Spiel „Erfüllung von Regeln um einer Belohnung willen“ mitzuspielen. Er bot kein System von Belohnung für richtige Taten an, sondern gebot zu lieben und danach zu trachten, aus Barmherzigkeit und nicht aus Berechnung zu leben.

Wenn also jemand denkt, das Leben in Christus bestehe im Befolgen von Regeln und Vorschriften, dann sollte er sich daran erinnern: Der Herr selbst zeigte stets durch sein Handeln, dass die Liebe höher steht als das Gesetz. Denn beim Propheten Micha heißt es: Gott ist jemand, „der an seinem Zorn nicht ewig festhält, denn er hat Gefallen an Gnade!“ (Micha 7,18), weshalb die „Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht“ (Jak. 2,13). Er starb für die Sünder, ohne Dank zu erwarten, und betete am Kreuz für jene, die ihn kreuzigten.

Jedes Mal, wenn wir uns anstatt für Ärger für die Liebe entscheiden, anstatt für Verurteilung für Mitgefühl, anstatt für Berechnung für Großmut – bezeugen wir dadurch, dass wir zu Christus gehören, der uns Sünder zuerst geliebt hat.

Der Herr erwartet von uns nicht Vollkommenheit in unseren menschlichen Kräften, sondern etwas Anstrengung in der Nachahmung. Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich, und Er wird ergänzen, wenn wir nur beginnen. Gott ist langmütig und reich an Erbarmen, und jenen, die sich bemühen, Ihm im Erbarmen gleich zu werden, schenkt Er seine Gnade. Möge unser Erbarmen und unsere Liebe nicht auf Gegenseitigkeit beruhen, sondern unsere beständige Entscheidung werden. Und dann wird Gottes Erbarmen, wie der Apostel sagt, „euch jede Gnade im Übermaß bescheren“ (2 Kor 9,8). Amen.

Geschrieben von Roman Bannack, Priester