predigt

Predigt zum Fest der Kreuzerhöhung (2025)

Roman Bannack, Priester | Zugriffe: 99

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Das Fest der Erhöhung des Ehrwürdigen und Lebensspendenden Kreuzes des Herrn führt uns ein großes Geheimnis vor Augen: Das Kreuz, einst ein Werkzeug der Schande und des Todes, wird zum Zeichen des Sieges und des Lebens. Das Paradoxe in der Verbindung der Begriffe „Fest“ und „Kreuz“ eröffnet uns die Tiefe dieser Wahrheit: Für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für uns aber, die Berufenen, ist es Gottes Kraft und Gottes Weisheit (1 Kor 1,23–24).

In der Lesung aus dem Johannesevangelium (Joh 19,6–11.13–20.25–28.30–35) sehen wir Christus am Kreuz: Pilatus fällt das Urteil, die Soldaten teilen Seine Kleider, aus der durchbohrten Seite fließen Blut und Wasser. Aber wir gedenken der Leiden und der Kreuzigung Christi nicht als düstere Ereignisse, die durch irdische Intrigen verursacht wurden, sondern als freiwilliges Opfer des Gottessohnes, der Mensch wurde um unseres Heiles willen. Das Gedächtnis an das Kreuz ist keine Klage um einen gefallenen Helden und kein Jammern und Wehklagen, sondern die feierliche Erinnerung an ein Ereignis, das die Grenzen der Geschichte überschreitet und Bedeutung für das gesamte Universum hat.

Das Kreuz steht, solange sich die Welt dreht, sagt ein altes Sprichwort. Unsere Hoffnung liegt nicht in der Welt, sondern im Kreuz; und die Auferstehung Christi macht diese Hoffnung zur Gewissheit über die Wahrheit unseres Glaubens.

Das Kreuz antwortet auf menschliche Zweifel und Ängste. Wir suchen manchmal eine Flucht vor dem Leid und erwarten, dass Gott uns in eine andere Welt entrückt, wo es keinen Schmerz gibt. Aber Gott schenkt uns Hoffnung, indem Er in unsere Welt kommt – an einen Ort des Leidens, des Widerstands und der scheinbaren Sinnlosigkeit, wo das Leben manchmal unerträglich ist, und dort sagt uns Gott selbst: „Kind, fürchte dich nicht: Ich war hier und weiß, wie es dir ergeht.“

Das Kreuz zeugt davon, dass Gott uns nicht auf den Gipfeln menschlicher Errungenschaften begegnet, sondern in der Tiefe, wo alle irdischen Hoffnungen zusammenbrechen. Gerade dort, in der Erschöpfung der menschlichen Kräfte, eröffnet uns die Gottesliebe eine Möglichkeit der Erneuerung.

Das Kreuz lehnt Gewalt ab: Gott zerschmettert die Mächte des Bösen nicht mit gleicher Gewalt von oben, sondern nimmt sie auf Sich, indem Er das Böse in der Tiefe seiner Liebe verschlingt. Er zertritt die Finsternis nicht mit brachialer Kraft, sondern verwandelt sie durch Seine Demut und sein Opfer. Das ist der Weg von Golgatha, das ist die Weisheit Gottes, die die gefallene Welt für eine Torheit hält (vgl. 1 Kor 1,21).

Am Kreuz wies Christus jeden Gedanken an Rache und Vergeltung nach dem Prinzip „Auge um Auge“ zurück und betete zum Vater für die Vergebung Seiner Peiniger: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Dieses Gebet ist die Kraft, die das Böse durch Barmherzigkeit besiegt.

Am Kreuze Christi stehend haben wir Christen für einen Moment die Möglichkeit, die Welt so zu schauen, wie Gott sie sieht: die Tiefe Seiner Liebe zur Schöpfung zu begreifen (vgl. Joh 3,16), zu spüren, wie Gott sich demütigt und erniedrigt, um die Welt von Sünde und Tod zu erretten (vgl. Phil 2,6–8). Beim Anblick des Kreuzes verstehen wir, dass wir berufen sind, Christus nachzueifern, die Welt und einander so zu lieben, wie Er uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34–35). Und wir stehen vor der Wahl: unser Kreuz auf uns zu nehmen und Christus nachzufolgen (vgl. Mk 8,34–35) oder den Blick vom gekreuzigten Herrn abzuwenden und den Begierden unseres eitlen Herzens zu folgen.

Beim Betrachten des Kreuzes beginnen wir zu verstehen, zu welchem Preis uns die Vergebung der Sünden und das Heil geschenkt werden. Dessen, liebe Brüder und Schwestern, müssen wir immer gedenken, wenn wir uns darauf vorbereiten, Gott unsere Sünden zu bekennen: Niemals rein formal zur Beichte gehen, hastig, nur um irgend etwas zu sagen, es „abzuhaken“. Wir müssen in diesem Moment an das Opfer Christi denken, es nicht mit unserer Eile und Oberflächlichkeit mit Füßen treten, sondern mit aller Ernsthaftigkeit und Zerknirschung bekennen, dass wir unwürdig sind, dass wir selbst mit unseren Sünden den Herrn ans Kreuz genagelt haben und allein auf Seine Gnade und Vergebung angewiesen sind.

An diesem Fest wird das Kreuz in die Mitte der Kirche erhöht und erinnert uns an das größte Geheimnis unseres Glaubens. Lasst uns Christus folgen, indem wir den Egoismus ablegen, der nur den eigenen Vorteil sucht. Lasst uns das Kreuz aufnehmen, das für uns bereitet ist, um mit ihm durch die Versuchungen zu gehen und Zeugen Seiner Auferstehung zu werden. Durch die Kraft des Ehrwürdigen und Lebensspendenden Kreuzes erbarme sich unser und rette uns der Herr. Amen.

Geschrieben von Roman Bannack, Priester