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Predigt zum Sonntag des Blindgeborenen (2025)

Joh. 9:1-38

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Christus ist auferstanden! Liebe Brüder und Schwestern in Christus, die Evangelienlesung aus dem heiligen Apostel und Evangelisten Johannes des Theologen über den Blindgeborenen nimmt einen besonderen Platz im liturgischen Kreis …
Roman Bannack, Priester | Zugriffe: 19

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Christus ist auferstanden!

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, die Evangelienlesung aus dem heiligen Apostel und Evangelisten Johannes des Theologen über den Blindgeborenen nimmt einen besonderen Platz im liturgischen Kreis ein. Sie vereint zentrale Themen: Wunder und Glaube, Gesetz und Barmherzigkeit, die Ursachen von Leiden und das geistliche Sehen – und vor allem die Offenbarung Christi als den Erlöser der Welt.

Unmittelbar vor diesem Ereignis lehrte der Herr im jüdischen Tempel, und einige wollten Ihn steinigen, weil Er sich als Sohn Gottes bezeichnete. Er sagte, dass Abraham, der Vater des Volkes, „sich freute, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich“ (Joh 8:56). Christus zeigt, wie die Schrift zu verstehen ist: nicht als bloße Regelordnung, sondern als lebendiges Zeugnis über den Messias. Doch jene, die im Gesetz nur Verbote sehen, erkennen im Herrn Jesus nicht, wer Er wirklich ist. Und so verlässt der Herr den Tempel – und gerade außerhalb des Tempels, in der Begegnung mit dem Blindgeborenen, verkündet Er erneut: „Ich bin das Licht der Welt.“ Die aber, die im Tempel zurückblieben, versunken in ihre gesetzliche Blindheit, haben dieses Licht nie erkannt.

Da fragen Ihn die Jünger: „Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“ In dieser Frage schwingt die Vorstellung mit, dass jede Krankheit zwangsläufig eine Strafe für Sünde sei.

Selbst die Jünger, die Christus nahestanden, verstanden noch nicht, dass es in der Offenbarung nicht um die Suche nach Schuldigen geht, sondern um die Offenbarung der Liebe Gottes. Wie viele andere schienen sie das Buch Hiob vergessen zu haben, wo ein Gerechter leidet, ohne gesündigt zu haben. Dabei hat der Herr selbst durch den Propheten Hesekiel die Idee verworfen, dass das Leiden der Kinder eine Strafe für die Schuld der Vorfahren sei:

„Was habt ihr dafür, dass ihr dieses Sprichwort braucht im Land Israel und sprecht: ‚Die Väter haben saure Trauben gegessen, und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden‘? So wahr ich lebe, spricht der Herr, HERR: Dieses Sprichwort soll nicht mehr unter euch gebraucht werden in Israel! Denn siehe, alle Seelen – sie gehören mir: Wie die Seele des Vaters, so auch die Seele des Sohnes – sie gehören mir“ (Hes 18,2–4).

Diese Worte sollten auch wir uns ins Gedächtnis rufen. Die Antwort Jesu auf die Frage der Jünger über den Blindgeborenen stellt ihre Vorstellung von den Ursachen des Leidens völlig auf den Kopf: „Weder dieser hat gesündigt noch seine Eltern, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbar würden.“ Das ist ein grundlegend wichtiger Gedanke: Krankheit ist nicht eine Frage des „wofür“, sondern des „worum willen“. Meistens geht es um das Heil, darum, dass die Liebe unter den Menschen sichtbar wird.

Den Blindgeborenen heilt der Herr nicht einfach – Er erschafft neu: Er macht einen Brei aus Erde und salbt die Augen, wie einst „Gott der HERR den Menschen gebildet hatte aus Staub vom Erdboden“ (Gen 2,7). Er schenkt dem, der nie sehen konnte, das Augenlicht – nicht nur das körperliche, sondern auch das geistliche. Die „Werke Gottes“, von denen Christus spricht, sind Werke der Schöpfung, und sie wurden an dem Blinden durch die Macht und das Wirken Christi, des Gottes, sichtbar.

Die Pharisäer, die versuchen, das Geschehene zu begreifen, verhören den ehemals Blinden immer wieder. Sie weigern sich beharrlich, das Offensichtliche zu sehen – dass Christus der verheißene Erlöser ist, der Schöpfer, von dem die Schrift spricht. Ihr körperliches Sehvermögen war tadellos, doch geistlich blieben sie blind, weil sie die Wahrheit nicht annehmen wollten.

Für uns alle bietet diese Evangelienlesung tiefen Trost und Belehrung. Wir sehen Christus nicht mit leiblichen Augen, doch wie der Blindgeborene können wir Ihn, wenn wir wollen, mit den Augen des Geistes schauen. Wir alle werden geistlich blind geboren, doch wie der Blinde sich im Teich Siloam wusch, so empfangen wir die heilige Taufe und fliehen zu Dem, der von sich sagt, Er sei „das Licht der Welt“.

Wenn wir Ihm in unserem Leben nicht begegnen, wenn wir Seine Vorsehung nicht erkennen, dann liegt das meist daran, dass wir es selbst nicht wollen – so wie jene Gesetzeslehrer, die das Offensichtliche bewusst ablehnten.

Hilf uns, Herr, unsere geistlichen Augen zu öffnen, damit wir stets Deine Liebe und Deine Vorsehung erkennen. Amen. Christus ist auferstanden!

Geschrieben von Roman Bannack, Priester