Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
In jener fernen Zeit zog sich die Nachtwache in der Blachernen-Kirche von Konstantinopel die ganze Nacht hin. Die Stadt wurde von Feinden belagert, und die Menschen, die sich in der Kirche drängten, beteten unermüdlich. Unter ihnen war der selige Andreas, ein Narr in Christo. Zur vierten Stunde der Nacht erhob er seinen Blick und sah: Am Eingang zum Narthex erschien die Allheilige Gottesmutter, von Licht umflossen, mit Johannes dem Täufer und Johannes dem Theologen zu ihren Seiten. Sie ging zum Ambo, betete lange für die Errettung der Menschen, trat dann in den Altarraum, öffnete den Schrein mit ihrem Gewand, nahm das Omophorion (Schleier) und breitete es über die Betenden aus. Das Omophorion hing in der Luft wie ein schwebender Schirm, der alle Gläubigen vor Unheil barg. Andreas, zutiefst ergriffen, wandte sich an seinen Schüler Epiphanios: „Siehst du, Bruder?“ Und dieser antwortete: „Ich sehe es, Vater, und ich erzittere.“ Die Übrigen, in ihr Gebet vertieft, bemerkten nichts, doch am Morgen zerstob ein Sturm die feindlichen Schiffe und die Belagerung brach zusammen.
Der heilige Apostel Paulus erinnert uns heute, wie an jedem Gottesmutterfest, an die alttestamentliche Stiftshütte: „Hinter … dem zweiten Vorhang aber war die Wohnung, die das Allerheiligste heißt. Sie hatte … die Bundeslade“ (Hebr 9,3-4). Dort, über dieser Bundeslade, schwebten die Flügel der Cherubim und bedeckten die Gegenwart Gottes – wie ein Schirm, der nicht trennte, sondern barg. So breitete auch die Allheilige Gottesmutter in der Vision des Andreas das Omophorion über die Betenden aus: nicht als Mauer, sondern als Zeichen, dass die Barmherzigkeit Gottes gegenwärtig und greifbar ist für alle, die im Glauben zu Ihm rufen.
Die Kraft jener Nacht lag jedoch nicht nur in der wunderbaren Vision der beiden Heiligen, und auch nicht allein im Zusammenbruch der Belagerung – sondern vor allem im Gebet des ganzen Volkes. Die Menschen beteten unaufhörlich, und deshalb öffneten sich die Himmel. Die Heiligen Andreas und Epiphanios wurden gewürdigt, das Unsichtbare zu sehen, weil sie selbst in demselben Gebet, im selben Geist des Gottvertrauens brannten. Und das muss uns in Erinnerung rufen: In jedem Gottesdienst, in jeder unserer Nachtwachen und jeder Liturgie stehen wir nicht einfach nur vor den Ikonen, sondern wir treten vor das Angesicht Gottes, umgeben von der himmlischen Heerschar.
Unser Gebet ist leider oft schwach: geht es uns gut, ist es oft träge, haben wir Not, ist es verzweifelt, aber ohne Glauben und Vertrauen. Und unsere Nachtwachen in der Kirche sind nur ein schwacher Abglanz jenes nächtlichen Gebets, das damals in den Blachernen gehalten wurde. Wir bitten manchmal verzweifelt um etwas, ohne zu wissen, dass der Vater nicht alles gibt, was uns in dem Augenblick als nötig erscheint, sondern das, was uns nützt und zum Heil führt. „Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten“, sagt der Herr (Joh 15,7).
Die Vision des Heiligen Andreas vom Schutz der Mutter Gottes ist ein Zeugnis dafür, dass wir unsere Gebete niemals alleine verrichten. Ach, oft „lesen“ wir einfach unsere Gebetsregeln ab und „stehen“ die Gottesdienste durch, während Verstand und Herz mit ganz anderen Dingen beschäftigt sind. Doch bei den kirchlichen Gottesdiensten und in unseren häuslichen Gebeten werden wir von den Heiligen umgeben, und sie beten mit uns. Und unser Gebet könnte tatsächlich dieselbe Kraft haben, wenn es mit Aufmerksamkeit, Glauben und Demut verrichtet würde.
Darum, liebe Brüder und Schwestern im Herrn, lasst uns versuchen, unsere Herzen von Betrübung und Zerstreuung zu reinigen. Nicht umsonst wenden wir uns zu Beginn jedes Gebetes an Gott mit den Worten: „Himmlischer König…“ – und bitten den Heiligen Geist, uns von aller Befleckung zu reinigen und zu erleuchten. Lasst uns daran denken: Der Schutz der Allheiligen Mutter Gottes ist kein magischer Talisman, sondern eine Erinnerung daran, dass wir in der Familie Gottes sind, wo die Allreine Mutter unseres Herrn Jesus Christus die Mutter aller wird, die an Ihn glauben. Wenn es mit Glauben, Hoffnung und Demut verrichtet wird, erreicht unser Gebet die Himmel, wie in jener Nacht in den Blachernen. Möge unsere Allreine Fürsprecherin uns lehren, mit reinem Herzen, aufmerksamem Geist und ruhigem Glauben vor Gott zu stehen und uns selbst und unsere Nächsten dem Willen Gottes anbefehlen. Amen.