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Predigt zum 19. Sonntag nach Pfingsten (2025)

Lk 7:11-16

Roman Bannack, Priester | Zugriffe: 20

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Im heutigen Evangelium hören wir von der Begegnung zweier Prozessionen – die eine zog aus der Stadt Nain hinaus und begleitete einen Toten, die andere zog mit Christus, der das Leben bringt. In dieser Begegnung prallten Tod und Leben, Verzweiflung und Hoffnung, Mensch und Gott aufeinander.

Die Witwe von Nain hatte alles verloren, wovon sie lebte: ihren Mann, ihren Sohn, ihren Trost, ihren Lebenssinn. Zu jener Zeit war eine kinderlose Witwe wie ein Schatten – vergessen und verstoßen, denn das Fehlen von Nachkommen galt als Zeichen einer Verwerfung durch Gott. Doch noch bevor sie sich Christus zu Füßen werfen konnte, sah der Herr selbst ihre Trauer, hatte Erbarmen mit ihr und, Er, der Selbst am Grab des Lazarus weinte, spricht zu ihr: «Weine nicht!»

Der Herr wendet sich direkt an das von Leid zerbrochene Herz. In diesen seinen Worten liegt die ganze Kraft des göttlichen Mitleids. Denn der Herr weiß nicht nur aus der Ferne, was der Schmerz des Verlustes und der Trennung bedeutet. Er weiß es, weil Er selbst alles erlitten hat. Und so erfüllen sich die Worte des Psalms: «Der Herr ist denen nahe, die zerbrochenen Herzens sind, und dem zerschlagenen Geist hilft er.» (Ps 33,19 LXX).

Dieses Ereignis geschieht kurz nach der Heilung des Hauptmannsknechts, wo der Glaube eines Heiden durch ein Wort Heilung bewirkt. Doch in Nain ist alles anders: Hier fleht niemand Christus an, niemand bezeugt seinen Glauben, der dem Wunder vorausging. Es gibt nur diesen schweigenden Zug mit dem Sarg, und der Herr tritt Selbst in ihn hinein – ungebeten, aber willkommen. Warum? Weil der Herr mitleidig ist.

Überhaupt empfand Christus beim Anblick fremden Leids immer tiefes Mitgefühl. Im Neuen Testament wird das Wort „Mitleid“ nur in Bezug auf Christus verwendet. Von niemand anderem wird gesagt, dass er mitleidig sei, außer vom Herrn Jesus. Und das ist wichtig: Gott beobachtet unseren Schmerz nicht von oben herab. Seine Liebe dringt in die menschliche Tragödie ein, berührt sie, um zu heilen.

Der Tod reißt Bindungen auseinander – zwischen Mutter und Sohn, zwischen Angehörigen, zwischen dem Menschen und seiner Hoffnung.

Doch Christus kommt, um das Zerstörte wiederherzustellen. Darum ist die Auferweckung des Jünglings von Nain nicht lediglich eine Rückkehr ins Leben. Der Evangelist Lukas bemerkt über den Jüngling: „Und Jesus gab ihn seiner Mutter.“ Darin liegt der ganze Sinn der Auferstehung: nicht einfach die Wiederbelebung eines Toten, sondern die Wiederherstellung der Gemeinschaft, die Heilung der zerrissenen Bindungen. Der Tod trennt, Christus aber fügt wieder zusammen.

Eine solche Heilung, eine solche Wiedervereinigung ist ein Vorbote des Himmelreiches, von dem schon der Prophet Jesaja geweissagt hat: «Verschlungen wird der Tod für immer. Und Gott, der Herr, wird die Tränen von jedem Gesicht abwischen.» (Jes 25,8).

Doch es beginnt schon hier, in der Kirche. In jeder Göttlichen Liturgie berührt Christus uns selbst: Er stärkt, heilt und macht lebendig. Er wendet sich an jeden von uns: «Dir sage ich, steh auf!» (Lk 7,14) – steh auf von der Gleichgültigkeit, von der Traurigkeit, vom inneren Tod, um ein neues Leben in Gott zu leben. Denn er selbst hat gesagt: «Ich bin die Auferstehung und das Leben.»

Heute gedenkt die Kirche des heiligen Apostels Thomas. Sein Glaubensweg war ebenfalls eine Begegnung mit Christus, dem Auferstandenen. Er glaubte den Worten seiner Brüder nicht, dass Christus auferstanden sei, sondern er glaubte, als der Herr selbst zu ihm kam und ihm Seine Wundmale zeigte. So auch die Witwe von Nain – sie bat nicht, sie überlegte nicht, sondern sie begegnete einfach dem Herrn, der selbst kam und das Leben schenkte. Sowohl Thomas als auch diese Witwe sind Zeugen dafür, dass der Glaube nicht aus Beweisen im Zuge von Argumentationen entsteht, sondern aus der lebendigen Begegnung mit Christus, der den Menschen Selbst findet und sein Herz zum Leben bekehrt.

Liebe Brüder und Schwestern, möge diese Begegnung vor den Toren Nains für uns zu einem Bild unserer eigenen Begegnung mit dem Herrn werden. Er kommt auch heute jedem entgegen, der trauert, der den Sinn verloren hat, der zwar lebt, aber innerlich wie tot ist. Möge der Herr unser Leben berühren, damit auch wir Sein Wort hören können – und aufstehen zu einem neuen Leben im Glauben, in Hoffnung und in Liebe.

Der Herr schenke uns das Erbarmen, damit wir, Ihm gleich, denen nahe sein können, die weinen, und mit ihnen das Licht der Liebe Christi teilen können. Amen.

Geschrieben von Roman Bannack, Priester