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Predigt zum Sonntag des Gelähmten (2025)

Joh. 5:1-15

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Christus ist auferstanden! Die heutige Evangeliumslesung führt uns zum Teich Bethesda, dessen Name „Haus der Barmherzigkeit“ fast wie ein Vorwurf für das stumme Leid klingt, das dort herrscht. Viele Kranke, Blinde, Lahme und Schw…
Roman Bannack, Priester | Zugriffe: 14

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Christus ist auferstanden!

Die heutige Evangeliumslesung führt uns zum Teich Bethesda, dessen Name „Haus der Barmherzigkeit“ fast wie ein Vorwurf für das stumme Leid klingt, das dort herrscht. Viele Kranke, Blinde, Lahme und Schwache harren in Erwartung eines Wunders aus, das scheinbar nur zufällig geschieht. In diesem düsteren Warten lebt ein Mann, der seit 38 Jahren leidet. Und plötzlich tritt der Herr zu ihm.

„Willst du gesund werden?“, fragt Christus. Oder, auf Kirchenslawisch: „Willst du heil sein?“ Diese Frage betrifft nicht nur das körperliche Gebrechen, sondern das Herzstück des menschlichen Daseins, seine Ganzheit. Die Krankheit des Gelähmten lag nicht nur im Körper, sondern auch in seiner Einsamkeit, in seiner Ausweglosigkeit. Er selbst sagt ja: „Ich habe keinen Menschen.“ Er trug diese schwere Last – Krankheit, Einsamkeit und jahrelanges hilfloses Warten. Diese schwere Last sieht Christus, als Er sich dem Leidenden zuwendet.

Doch das Wunder geschieht am Sabbat – an einem Tag, an dem selbst die kleinste Arbeit als Gesetzesübertretung galt. Die Heilung des Gelähmten wirkt wie eine Provokation. Im alttestamentlichen Buch Exodus (31:12–17; 35:2–3) wird diese Regel mit besonderer Strenge betont: Für Arbeit am Sabbat war sogar die Todesstrafe vorgesehen. Und der Prophet Jeremia (17:19–22) warnte: Am Sabbat durfte man keine Lasten durch die Tore Jerusalems tragen oder etwas aus dem Haus bringen. Doch Christus befiehlt dem Gelähmten, sein Bett zu nehmen und zu gehen.

Der Unmut der Juden ist verständlich. Sie eiferten für das Gesetz. Doch hinter dem Buchstaben des Gesetzes erkannten sie den Menschen nicht, sahen nicht, dass seine Last nicht das Bett war, sondern 38 Jahre des Leidens und der Hilflosigkeit. Sie sahen, wie er sein Bett trug – und erkannten darin nicht ein Zeugnis von Gottes Barmherzigkeit. Auch wir leiden mitunter an einem ähnlichen Phänomen: Wir achten darauf, ob wir die Kerzen richtig aufstellen, uns bekreuzigen, fasten – aber vergessen, dass der Sinn der Gebote nicht in der Einschränkung des Guten liegt, sondern im Leben vor Gott. Der Sabbat und die anderen Gebote sind nicht da, um Barmherzigkeit zu verhindern, sondern um uns immer in Erinnerung zu rufen: Gott ist nicht unser Schuldner, sondern wir sind Ihm alles schuldig.

Denn der Gelähmte konnte sich nicht selbst retten, egal wie sehr er sich bemühte. Und sein Glaube war nicht gering – selbst nach 38 Jahren verlor er die Hoffnung nicht. Doch seine Rettung geschah nicht aus eigener Kraft. Ihm fehlte es nicht an Bemühungen oder an der Einhaltung von Geboten, sondern schlicht an Christus – an dem, der ihm eine Hand reichte. Seine Heilung war kein Lohn für Mühen, sondern ein Geschenk. Es war die Begegnung mit dem lebendigen Gott.

In dieser Evangeliumslesung zeigt der Herr Jesus Christus uns, Seinen Nachfolgern, wie wir dem Leid der Welt begegnen sollen – Schritt für Schritt, einem nach dem anderen helfend. Er geht zum Schaftor, dorthin, wo sich menschliches Elend konzentriert: Dort lagen „viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte“ (Joh 5:3). Diese Ansammlung von Leidenden selbst bezeugt: Dieser Ort war allen in Jerusalem bekannt. Das heißt, Christus kam nicht zufällig dorthin.

Doch der Herr heilt nicht alle, die am Teich versammelt sind, nicht einmal viele oder auch nur einige – nur einen einzigen. Er tut dies nicht, weil die anderen keine Hilfe brauchten oder etwa unwürdig waren, sondern um uns ein Beispiel zu geben: Wir müssen nicht – und können auch nicht – die ganze Welt retten. Es genügt, einem einzigen Menschen die Hand zu reichen, aber dies aufrichtig, ganzheitlich und wahrhaftig zu tun. Nicht mit einer beiläufigen Münze, nicht im Vorbeigehen, sondern mit beständiger Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Und das wird genug sein, um zu Seinen Jüngern zu zählen – nicht nur im Wort, sondern mit der Tat.

Der Apostel sagt: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“ (Gal 6:2). Geht nicht am Schmerz des Nächsten vorbei. Christus trat hinzu – und blieb bei ihm. Amen. Christus ist auferstanden!

Geschrieben von Roman Bannack, Priester