Kurzgeschichte aus dem Buch "Die Überfahrt" von Jaroslaw Schipow

Eines Tages konnte ich nach dem Gottesdienst in einer der weiter entfernten Gemeinden keine Mitfahrgelegenheit auftreiben, die mich nach Hause bringen würde. Auch sonst war es dort damit immer etwas schwierig: man hatte achtzig Kilometer über unbefestigtes Gelände zu fahren, und die Gottesdienste fielen üblicherweise auf die Sonntage, an denen die Garage der Kolchose geschlossen und die Leute in ihren Gemüsegärten beschäftigt waren.

So saß ich also vor der Kirche, wurde langsam müde und beschloss, ein wenig spazieren zu gehen. Unweit der Kirche gab es einen Friedhof, und in einem Haufen Abfall, zwischen alten Kränzen und verblichenen Papierblumen bemerkte ich einige grün gewordene Totenschädel...

Welch ein Unglück! Aber so ist es hier auf allen Friedhöfen: stößt man beim Anlegen eines neuen Grabes auf alte Knochen, so werden diese in den Abfall geworfen. Wie oft habe ich es den Leuten gepredigt: das sind die Gebeine eurer Vorfahren, vielleicht eures Großvaters, der Großmutter oder Urgroßmutter… ich bekomme unverständliche Blicke, die zu sagen scheinen: Na und? Sie haben genug herumgelegen, das reicht doch...

Recht hatte wohl der Bischof, der in einem seiner Rundschreiben meinte: “Es ist unglaublich, wie sehr unser Volk geistlich verkommen ist”...

Ich ging also um die Kirche herum und sah unten, am Fluss, einen Laster und irgendwelche Leute. Ich begab mich hinunter - es waren drei Soldaten, die dort eine Brücke reparierten, welche noch durch das Frühjahrshochwasser beschädigt worden war. Im Grunde war es nur einer, der die Arbeit machte: er schwang den Vorschlaghammer, trieb eiserne Klammern in die Balken, die anderen beiden aber standen daneben, die Hände in den Taschen, die Uniformjacken auf, und die Zigaretten zwischen den Zähnen...

“Guten Tag”, sagte ich, “ihr stolzen Krieger.”

"Der deutsche Historiker berichtete, dass er tausende solcher Akten gesichtet hatte: der überwiegende Großteil der Häftlinge waren sowjetische Offiziere. Fast alle von ihnen waren orthodox; mitunter gab es auch Moslems; andere gab es nicht."

Wir haben uns im Lesesaal des Großen Schriftenarchivs kennengelernt: wir beide hatten ein und dieselben historischen Dokumente angefordert. Mein Mitbewerber erwies sich als Deutscher aus der ehemaligen DDR. Er konnte sich einigermaßen auf Russisch verständigen, und so kamen wir ins Gespräch. Schließlich ließen wir die historischen Dokumente liegen und begaben uns ins nächste Café, um unser Gespräch dort fortzusetzen. Der Deutsche kannte alle russischen Priester, die derzeit in Deutschland ihren Dienst tun, nannte mir ihre Namen und freute sich sehr, als ich darunter einen meiner Bekannten ausmachte. Danach berichtete er mir von den alltäglichen Problemen orthodoxer Gemeinden, von der Instandsetzung von Kirchen, vom Unterricht in Kirchengesang...

Priester Jaroslaw Schipow: Dachau. Begegnung mit einem deutschen Historiker. Quelle: www.pravoslavie.ru

Am zweiten Sonntag der Großen Fastenzeit gedenkt die Orthodoxe Kirche des hl. Gregor Palamas. Der folgende Artikel gibt detaillierte Einblicke in das Leben, die Werke und die Lehre dieses großen Heiligen der Kirche, den man üblicherweise mit dem Hesychasmus und der Lehre von den "göttlichen Energien" in Zusammenhang bringt.

Vita [1]

Der künftige heilige Erzbischof wurde 1296 geboren und bekam seine Ausbildung in Konstantinopel. Nach dem frühen Tod seines Vaters, des Senators Konstantin, der 1301 folgte, fiel es Gregor zu, unter dem Schutz des Kaisers Andronikos II zu kommen. Auf diese Weise verbrachte der junge Mann die ersten 20 Jahre seines Lebens am Kaiserhof, und für später stand ihm, der er verschiedentlich talentiert war, eine steile und erfolgreiche Karriere bevor. Er studierte die weltlichen Disziplinen und die Philosophie beim besten Lehrer dieser Zeit - Theodor Metochites, welcher Philologe und Theologe, Rektor der Universität und, wie man dieses Amt heutzutage nennt, Ministerpräsident war. Gregor Palamas war der beste seiner Schüler; ein besonderes Interesse hatte er an der Philosophie des Aristoteles. Im Alter von 17 Jahren hielt Gregor Palamas am Hofe des Kaisers vor selbigem und anderen hochgestellten Persönlichkeiten sogar eine Vorlesung über den Syllogismus des Aristoteles. Der Vortrag war von solchem Erfolg, dass Metochites am Ende ausrief: Selbst Aristoteles würde, wäre er anwesend, nicht umhinkommen, ihn [Gregor] zu loben.

In diesem Artikel des Dozenten der Moskauer Geistlichen Akademie, Igumen Dionisij (Schlenow), wird der historische Hintergrund und der ideelle Gehalt dieses Festtags detailliert dargelegt.

Heute feiert die Orthodoxe Kirche den Triumph der Orthodoxie. Im Synodikon der Orthodoxie, das während einer besonderen Gottesdienstordnung verlesen wird, werden Anathemata für die Häretiker sowie Akklamationen für die Verteidiger der Orthodoxie verkündet. Die Geschichte des Synodikons ist teilweise bekannt, auch wenn seine Rezeption in den orthodoxen Ländern vor und nach dem Fall von Byzanz einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Die gottesdienstliche „Ordnung der Orthodoxie" wurde im Jahre 843 bestimmt - als schließlich, nach mehr als ein Jahrhundert währenden theologischen Konfrontationen und heftiger Kämpfe, die Ikonenverehrung über den Ikonoklasmus triumphierte.

Einleitung

Paradoxerweise ergab es sich, dass die Hauptfiguren des Schismas im 17. Jahrhundert miteinander eng verbunden waren, lange bevor sie sich schließlich auf verschiedenen Seiten der Barrikaden wiederfanden. Beispielsweise stammen Patriarch Nikon (1605-1681) und der Protopope Awwakum (1620/21-1682) aus benachbarten, nur wenige Kilometer voneinander entfernten Dörfern des Gebietes Nischni Nowgorod, in welchem der berühmte Protopope Ioann Neronow (1591-1670) predigte, welcher einer der Organisatoren und die Seele der Bewegung der „Eiferer der altehrwürdigen Frömmigkeit“ („Rewniteli drewnego blagochestija“) war. Sowohl Patriarch Nikon als auch der Protopope Awwakum waren ihrer Nationalität nach Mordwinen.

Als „Eiferer der altehrwürdigen Frömmigkeit“ strebten sie alle nach der geistlichen Gesundung des russischen Volkes; Nikon, Awwakum und auch Neronow waren Persönlichkeiten mit einem sehr starken Charakter. Es wundert also nicht, dass sie, einmal mit den entsprechenden Möglichkeiten ausgestattet, sich daran machten, ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Vielleicht war das eine der Schwächen der „Eiferer der altehrwürdigen Frömmigkeit“, dass ihnen außer einem Ideal keine Führungspersönlichkeit vorstand. All diese starken Persönlichkeiten mit dem teils stolzen und unduldsamen Verhalten führten die Idee der geistlichen Gesundung des Volkes schließlich in die Katastrophe eines Schismas.

Dieser kurze Artikel widmet sich einer historischen (nicht oder kaum theologischen) Betrachtung des Hl. Gregorios Palamas, des Hesychasmus in Byzanz und dessen Bedeutung.

1. Der Begriff des Hesychasmus in der Geschichte

Der Begriff «Hesychasmus» geht auf das griechische Wort Hesychia (ησυχία) zurück, welches soviel bedeutet wie «Schweigen», «innerer Friede», «Losgelöstheit», das heißt, es bedeutet ein Ideal einer zurückgezogenen und asketischen Konzentration. Dieser Begriff wird im Slawischen im Allgemeinen als «безмолвие»[1] wiedergegeben.

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125 Jahre Russisch-Orthodoxe Kirche zu Dresden: 1874–1999

Diese reich bebilderte Informationsbroschüre zum 125. Jahrestag der Kirchweihe entstand unter der Redaktion von Dr. W. Schälike vom Deutsch-Russischen Kulturinstitut zu Dresden.

Es wird insbesondere die Geschichte der Gemeinde und der Kirche beleuchtet, herausragende Persönlichkeiten der Gemeindegeschichte vorgestellt, aber auch Antworten auf Fragen wie "Orthodoxie - was ist das eigentlich?" gegeben.

Sie können dieses Heft gegen eine Gebühr als E-Book (PDF- oder EPUB-Datei) hier online erwerben.