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Zu dieser Zeit war die Dresdner orthodoxe Gemeinde infolge der Flüchtlingswelle, die nach Revolution und Bürgerkrieg aus Russland einsetzte, stark angewachsen. Zur Gemeinde gehörten nun weißgardistische Offiziere adliger Abstammung mit ihren Familien, auch Wissenschaftler und Künstler, die mit der Politik der Bolschewiki nicht einverstanden waren, wie z.B. der berühmte Philosoph Fjodor Stepun. Aber auch viele einfache Menschen wurden in den Kriegsstrudel hineingezogen und fanden letztendlich eine Bleibe in Dresden. Erzpriester Mosharowski führte alle diese Menschen zu einer Gemeinde zusammen und erreichte, dass wieder ein reges Gemeindeleben entstand. Für die karitative Arbeit wurde 1924 die Martha-Schwesternschaft gegründet, die durchreisende Flüchtlinge und andere hilfebedürftige Menschen betreute. Die in der Kirche befindliche Bibliothek wurde in Ordnung gebracht und für die Leser geöffnet.

Für die Kinder russischer Flüchtlinge wurden Bibelstunden und Unterricht in russischer Sprache und russischer Geschichte gestaltet. Dieser Unterricht fand in den Gemeinderäumen der benachbarten Lukaskirche statt - ein schöner Beweis für den konfessionsüberschreitenden nachbarlichen Kontakt schon zu jener Zeit, der sich bis heute erhalten hat.

Seit Bestehen der Kirche stellte das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten des Zarenreiches jährlich 1500 Goldrubel für die Unterhaltung der Kirche zur Verfügung. Nach dem revolutionären Umsturz in Russland entfiel jedoch jegliche staatliche Unterstützung für die Kirchen. Im Gegenteil: dort begann der Terror gegen die Institution der Kirche.

Deshalb sah sich anfangs der 30er Jahre der Gemeindevorstand der Dresdner Kirche genötigt, sich mit der Bitte um finanzielle Hilfe an die Gemeinde selbst zu wenden. Das Kirchenjournal aus den Jahren 1932 bis 1935 enthält eine vom Geistlichen Mosharowski aufgestellte Liste mit 52 Namen und Adressen von Gemeindemitgliedern, an die ein Aufruf zu einer Geldspende abgesandt worden war. An der gleichen Stelle findet sich auch der Entwurf eines Briefes an den Griechischen Generalkonsul in Dresden, welcher Glückwünsche zum Weihnachtsfest mit dem Dank an die in Dresden wohnenden orthodoxen Griechen für die bereits seit 12 Jahren geleistete großzügige Unterstützung verband. Eine Liste mit 51 Namen der Dresdner orthodoxen Griechen beweist, dass dieser Dresdner orthodoxen Gemeinde in jener Zeit mehr als 100 Familien angehörten, unter ihnen Hochschullehrer, Ärzte, Apotheker, Unternehmer und Obersetzer. Die Dresdner Gemeinde unterstand damals der Jurisdiktion des Moskauer Patriarchen.
Süd-östliche Ansicht der Kirche (um 1900)
Süd-östliche Ansicht der Kirche (um 1900)

In den 20er Jahren bildete sich aus den Reihen der aus Russland emigrierten Geistlichen eine kirchliche Spaltungsbewegung unter der Führung des sogenannten Karlowatzer Synodes, die sich später zur Russisch Orthodoxen Kirche im Ausland mit dem Zentrum in New York formierte. Als ihren Vertreter setzte die nationalsozialistische deutsche Regierung Erzpriester Tichon als Bischof von Berlin und Deutschland ein, der zunächst von Erzbischof Euglogius zum Vikarbischof geweiht worden war, sich dann aber von ihm lossagte und dem Karlowatzer Synod unterstellte.

Mit der Machtergreifung der National-Sozialisten brachen auch für die orthodoxen Gläubigen schwere Zeiten an.

Obwohl die Gemeinde der russischen Emigranten fast geschlossen auf der Seite des Metropoliten Eulogius (der inzwischen von Berlin nach Paris übersiedelte) stand, welcher als einziger Exilbischof über eine rechtmäßige kanonische Einsetzungsurkunde verfügte, wurde vom Preußischen Kultusministerium auf die Dresdner Gemeinde starker Druck ausgeübt, um sie zum Übertritt vom Moskauer Patriarchat zur Auslandskirche zu bewegen.

 


 

In einem Aktenvermerk zu einer Beratung am 4. August 1937 im Ministerium für die kirchlichen Angelegenheiten heißt es:

„Warum wir diese Einigung eben in der Konzilkirche wünschen, von rein politischem Standpunkt, ist ebenso verständlich, weil es bekannt ist, dass eben in der Konzilkirche die aktivsten rechtsstehenden Elemente, die am stärksten national Denkenden gesammelt sind, die am meisten befähigt sind, am antibolschewistischen Kampf teilzunehmen, während in den Reihen der Herde des Metropoliten Eulogius sich an führender Stelle sehr viele befinden, die nach links neigen, Leute mit äußerst liberalen Anschauungen, die am aktiven Kampf gegen den Bolschewismus und alle ihm verwandten Strömungen überhaupt nicht interessiert sind. Ebenso ist der deutschen Regierung der Einfluss dieser Pariser Kreise auch deshalb unerwünscht, weil diese gleichzeitig mit ihrer feindlichen Haltung gegenüber der Orthodoxen Konzilkirche auch Feinde des Dritten Reiches und prinzipielle Gegner der Harmonie zwischen dem christlichen Glauben und nationalsozialistischen Weltanschauung sind."

Diesem widerstand die Dresdner Gemeinde jedoch mehrere Jahre in der Hoffnung auf die baldige Vereinigung der Auslandskirche mit der Moskauer Mutterkirche. Auf einer Gemeindevollversammlung am 31. Januar 1938 wurde der Vorschlag des Ministeriums für Kultus, zur Jurisdiktion der Auslandskirche überzutreten, lebhaft diskutiert. Die Gemeinde stimmte jedoch mehrheitlich für den Verbleib in der Jurisdiktion des Metropoliten Eulogius. Auf Grund eines von Reichskanzler Adolf Hitler am 25. Februar 1938 verabschiedeten Gesetzes und einer Durchführungsverordnung dazu vom 5. Mai 1939 wurden der Grundbesitz und das gesamte Vermögen der russischen Kirche in Dresden der orthodoxen Auslandskirche überschrieben, die dem nationalsozialistischen Regime genehm war und in der die orthodoxen Gemeinden gleichgeschaltet werden sollten, auch im Hinblick auf die geplante Erweiterung des Deutschen Reiches nach Osten. Nach dieser Enteignung wurde die Gemeinde 1939 der Deutschen Diözese der Auslandskirche eingegliedert. Mehrere Gemeindemitglieder, darunter Prof. Stepun und Fürst Obolenski, traten daraufhin aus. Damit der Gemeinde aus. Damit wurde die private Simeon-von Wikulin-Stiftung willkürlich enteignet.

Während des 2. Weltkrieges wurde die Kreuzprozession zum Osterfest verboten. Nach dem Bombenangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 blieb die russische Kirche inmitten zerstörter Häuser wie durch ein Wunder erhalten. Die Bombenschäden am Gebäude waren jedoch beträchtlich. Aber auch in der beschädigten Kirche ging das Gemeindeleben weiter. Trauungen, Taufen und Aussegnungen der Verstorbenen fanden statt. Viele der russischen Emigranten, die den Krieg überlebt hatten, blieben in Dresden. Unbehelligt von der deutschen Verwaltung und der sowjetischen Besatzungsmacht begann wieder das religiöse Leben. Erzpriester Sergej Samoilowitsch bat in einem ergreifenden Brief an den Moskauer Patriarchen um die Rückkehr in den Schoß der Mutterkirche: „Wir bereuen vom ganzen Herzen, Eure Heiligkeit, unsere unfreiwillige Abspaltung von der Russisch-Orthodoxen Mutterkirche... Nach der maßlosen Unterdrückung, den Entbehrungen und Verfolgungen hier in der Fremde bitten wir Eure Heiligkeit um Wiedervereinigung und Aufnahme unter Ihre Heilige Obhut." Dieser Bitte wurde entsprochen und seitdem gehört die Dresdner Gemeinde wieder der Mutterkirche, dem Moskauer Patriarchat, an.

Süd-östliche Ansicht der Kirche (April 1950), nach der Zerstörung am 13. Februar 1945
Süd-östliche Ansicht der Kirche (April 1950), nach der Zerstörung am 13. Februar 1945